Interview mit Angehörigen

GBS CIDP Selbsthilfe: Frau Brütsch, Ihre Tochter ist an GBS erkrankt. Sie hat uns vorgeschlagen, Sie als Angehörige zu Ihren Erfahrungen und Erlebnissen zu befragen.

Fr. Brütsch: meine Tochter Regina war in Malaysia, auf Langkawi, als sie an GBS erkrankte. Sie musste mit der Fähre aufs Festland zum öffentlichen Krankenhaus gebracht werden. Am zweiten Tag wurde GBS über die Lumbalpunktion bestätigt. Regina war komplett gelähmt. Sie war sechs Wochen auf der Intensivstation im staatlichen Krankenhaus. Nach drei Wochen künstlicher Beatmung war ein Luftröhrenschnitt gemacht worden, der wurde fünf Monate später im Krankenhaus Konstanz wieder verschlossen.

Als wir die Nachricht bekamen, war mein Sohn Volker gerade für eine Woche aus Irland zu Besuch. Er hatte keine Sekunde gezögert, nach Malaysia zu fliegen. Als seine Vorbereitungen in Gang waren, habe ich mich schnell entschieden mitzukommen.

In Malaysia im Krankenhaus meinte der Arzt, wir sollten sie schnellstmöglich nach Deutschland bringen, sonst hätte sie keine Möglichkeit zum Überleben. Das haben wir versucht. Doch die Fluggesellschaften waren nicht dazu bereit, sie hätte mit Sauerstoff reisen müssen und in Begleitung eines Arztes. Das hätte um die 90.000€ gekostet. Der Arzt, der sie die erste Woche auf der Intensivstation betreut hatte, war sehr erstaunt, dass sie noch lebte, als er von seiner Urlaubszeit zurück kam.

Ihre Auslandskrankenversicherung war ausgelaufen und wir haben keinen Kredit bekommen. Das Auswärtige Amt war in unserem Falle leider nicht hilfreich. Alleine die Kontaktaufnahme stellte sich sich als sehr schwierig und langwierig heraus. Es gab ein ständiges Hin und Her und führte zu Nichts.

Mit Hilfe einer langjährigen Freundin Reginas fanden wir gleich zu Beginn ihrer Erkrankung den Kontakt zu der GBS CIDP Initiative und Herrn Handelmann. Wir waren ständig und permanent in Kontakt mit ihm. Das hat uns und Regina Vieles erspart. Er hat uns sehr geholfen!

Nach sechs Wochen auf der Intensivstation wurde sie auf Normalstation verlegt. Das war sehr schlimm: fehlende Hygiene, Moskitos, Ameisen, ihre Lunge musste abgesaugt werden, eigentlich sollten wir das machen, doch das wurde dann von einer Krankenschwester übernommen.

Wir mussten Regina Tag und Nacht betreuen, mein Sohn und ich haben uns dafür abgewechselt.

Dazu kamen die Sprachverständigungsschwierigkeiten. Die Krankenschwestern haben nur Malaysisch und etwas Englisch gesprochen. Zum Glück konnte sich Volker mit ihnen auf Englisch verständigen.

Nach 2-3 Nächten haben wir erreicht, dass sie in ein privates Krankenhaus unter chinesischer Leitung verlegt werden konnte. Auch das war schwer, wegen der besonderen Transportschwierigkeiten.

GBS CIDP Selbsthilfe: Sie waren in Malaysia ganz auf sich allein gestellt?

Fr. Brütsch: Wir hatten Glück im Hotel: Seri Malaysia Alor Setar. Der Manager, Herr Ravindran, vermittelte uns Kontakte, unter anderem zu dem ansässigen Rotary Club sowie die Buddhist TZU-CHI Merits Society, sie alle haben sich um mich und meinen Sohn unermüdlich gekümmert, für und um uns gesorgt.

Mein Sohn hatte glücklicherweise von seinem irischen Arbeitgeber die Erlaubnis bekommen, unter Lohnfortzahlung in Malaysia zu bleiben.

Ohne all diese Hilfe hätte meine Tochter nicht überlebt.

Wir haben von vielen fremden Leuten Hilfe bekommen.

In Malaysia haben Buddhisten meine Tochter fast jeden Tag besucht und haben mit ihr Lieder gesungen und auch sonst sehr viel geholfen. Zum Beispiel sind sie mit uns gegangen, um das Visum und die Aufenthaltsgenehmigung für meine Tochter zu beantragen.

GBS CIDP Selbsthilfe: Ihre Tochter wurde dann in die Reha-Klinik in Allensbach verlegt?

Fr. Brütsch: Nach drei Monaten war Regina soweit transportfähig, dass ein Rückflug mit Hindernissen möglich war. Volker hat alles organisiert und in die Wege geleitet. Mit Hilfe eines Arztes, sowie eines Sanitäters der Deutschen Flugrettung, selbstredend auf Rechnung, konnte sie dann nach Deutschland ausgeflogen werden.

Die Rückreise war schlimm: Von Penang nach Singapur, 10 Stunden Aufenthalt, Transport im Liegen, es mussten 16 Plätze gebucht werden. 12 alleine für die Liege im Flugzeug.

Ein Krankenwagen des DRK Singen hat sie in Frankfurt abgeholt und zur Klinik in Allensbach gebracht. Da wir Mitglieder beim DRK sind, auch dank meiner Schwägerin, die lange für das DRK tätig war, mussten wir für den Tansport nicht bezahlen.

Zu unserer großen Freude war Herr Handelmann in Frankfurt am Flughafen, auch in Allensbach und zu Hause hat er uns besucht.

GBS CIDP Selbsthilfe: Wie haben Sie sich gefühlt?

Fr. Brütsch: Am Anfang war die Zeit sehr schlimm, „man konnte nur hoffen, beten, schauen…“. In Deutschland hatten wir ein schönes Erlebnis: Nach einem Spendenaufruf in Allensbach kam ein Mann aus Hechingen zu Besuch, der auch GBS gehabt hatte. Er hat uns Hoffnung gemacht. Das hat uns sehr gutgetan.

Eine große Enttäuschung war für uns, dass keine Zuständigkeit vom Auswärtigen Amt gezeigt wurde, dass wir keinen Kredit bekamen.

Wir mussten für die Kosten um die 55 000 € aufbringen. 15 000 € davon für die Deutsche Flugrettung. Unsere Familie, Freunde, Bekannte, auch über Spendenaufrufe der LionsClub, RotaryClub, das Fraunhofer Institut (Reinraumtechnik) und viele mehr, halfen uns, die Gelder bereit stellen zu können. Ohne ihre Hilfe wäre ein Rücktransport nicht möglich gewesen.

(Quelle: „Selten bis es dich trifft“ ein Buch der Deutsche GBS CIDP Initiative e. V.)

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